Tumoren im Kopf- Hals- und Gesichtsbereich

Tumoren der Mundhöhle und der Mundschleimhaut wurden bereits im Artikel Mundschleimhauterkrankungen (12/ 2013) beispielhaft beschrieben. In diesem Beitrag sollen exemplarisch weitere Tumoren erörtert werden:

Tumoren der Speicheldrüsen, der äußeren Haut, der Weichteile, der Knochen, der Zahnanlagen.

Wie stets können bei Tumoren gutartige (benigne) und bösartige (maligne) unterschieden werden, wobei die maligne Transformation eines zunächst gutartigen Tumors möglich ist; außerdem gibt es Mischformen.

Tumoren der äußeren Haut
Sehr häufig kommen an lichtexponierten Stellen, insbesondere bei älteren Menschen, Basaliome vor (weißer Hautkrebs). Im Unterschied zu Plattenepithelkarzinomen (siehe Beitrag Mundschleimhauterkrankungen 12/ 2013) - hierbei sei erwähnt, daß Plattenepithelkarzinome natürlich nicht nur in der Mundhöhle selbst, sondern auch auf der äußeren Haut vorkommen können, z. B. auf den Lippen - wachsen Basaliome lokal destruierend und infiltrierend, bilden aber keine Metastasen. Das klinische Erscheinungsbild von Basaliomen kann sehr unterschiedlich sein, mitunter ist die klinische Abgrenzung zum Plattenepithelkarzinom schwierig und gelingt nur durch eine histologische Untersuchung.  
Verschiedene Sonderformen der Basaliome ermöglichen eine bessere diagnostische Einordnung und prognostische Einschätzung:
Das exulzerierende Basaliom imponiert durch einen hautfarbenen derben Knoten, der in der Mitte eine Ulzeration (ein Geschwür) aufweist.
Das Basalioma rodens ist flach, es imponiert eher ein Gewebsverlust denn ein Gewebszuwachs.
Das Basalioma terebrans wächst im Gegensatz zum Plattenepithelkarzinom auffallend langsam, zerstört aber durch lokale Destruktion weite Bereiche des Schädelknochens. Die chirurgische Behandlung erfordert mitunter die plastische Rekonstruktion großer Teile der Schädeldecke.

(In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß es immer noch vorkommt, daß Patienten erst nach viel zu langer Krankheitsdauer den Weg in eine kieferchirurgische Klinik finden, obwohl der Tumor lange gut sichtbar wachsen konnte!)

Weitaus gefährlicher als Basaliome sind maligne Melanome (schwarzer Hautkrebs). Klinisch werden das noduläre Melanom, ein schnellwachsender brauner bis blauschwarz gefärbter knotiger Tumor, der aus zuvor gesunder Haut oder auch aus einem Naevuszellnaevus (Leberfleck) hervorgeht, das Melanom auf dem Boden einer Melanosis circumscripta praeblastomatosa (kleine braunschwarze Knötchen auf einem unregelmäßig dunkel pigmentierten Hautbereich) und das superficiell spreitende Melanom (unterschiedlich stark pigmentierte Flecke mit erhabenem Rand) unterschieden. Seltener ist das "amelanotische Melanom" (ein weißes Melanom - nicht zu verwechseln mit dem "weißen Hautkrebs", dem Basaliom. Durch die Entdifferenzierung der Melanozyten, der pigmentbildenden Zellen, die dem Melanom wie dem Leberfleck die braune Färbung geben, haben diese gleichsam die Fähigkeit zur Pigmentbildung verloren, was deren Bösartigkeit noch verstärkt!)

Melanome bilden sehr rasch Metastasen, deren Ausbreitung nicht allein durch die Lymph- und Blutgefäße erfolgt, (was bei anderen Tumoren gewisse Vorhersagen der Art der Metastasierung erlaubt). Die zugrundeliegenden Zellen, die Melanozyten haben durch ihre Eigenbeweglichkeit die Fähigkeit, selbständig sehr rasch durch den Körper zu wandern, was im Falle einer Metastasierung die Prognose sehr verschlechtert. Oberstes Gebot bei der klinischen Diagnose oder auch nur dem Verdacht auf ein malignes Melanom ist dessen großzügige Entfernung im gesunden Gewebe! Probeexcisionen wie bei anderen Tumoren sind nicht erlaubt, da diese die Metastasierung erheblich begünstigen können.
Durch die Zunahme von Fernreisen in Gebiete mit hohem UV- Index, ungenügenden Sonnenschutz und die immer noch andauernde Schädigung der Ozonschicht durch FCKW, die in den Jahren vor dem Montrealer Protokoll von 1987 in die Atmosphäre gelangten, ist es zu einer erheblichen Zunahme von malignen Melanomen gekommen. Ging man in den 1980er Jahren noch von einer theoretischen Umwandlung eines Leberfleckes in ein Melanom mit einer Rate von 1:10.000.000 aus, so muß man derzeit jedem Patienten anraten, einen sonnenexponierten Naevuszellnaevus (Leberfleck) rechtzeitig vor einer malignen Transformation entfernen zu lassen, insbesondere aber dann, wenn auch nur ein einziges der folgenden Kriterien zutrifft: Wenn ein Leberfleck seine Größe oder Farbe ändert, fleckig wird, seine Umrisse unscharf sind oder werden, bei Haarverlust, wenn er juckt, näßt oder blutet, dann besteht der dringende Verdacht einer malignen Transformation hin zu einem Melanom! Auch ein Leberfleck an einer mechanisch stark beanspruchten aber zumeist bedeckten Hautpartie sollte rechtzeitig entfernt werden.

(Was die Sonnenexposition betrifft, sollte das richtige Maß gefunden werden: Für hellhäutige Europäer werden maximal 50 Sonnenbäder im Jahr empfohlen, deren Dauer im Frühjahr 20 Minuten, nach Bräunung eine Stunde nicht überschreiten sollte. Sonnenbrand muß unbedingt vermieden werden, Solarien sollten nicht aufgesucht werden.
Rothaarige Menschen vertragen überhaupt keine Sonnenbestrahlung ohne Sonnenschutz mit sehr hohem Lichtschutzfaktor und können bereits nach 3 Minuten ungeschützter Sonnenexposition einen Sonnenbrand erleiden, Schwarze hingegen würden in unseren Breiten im Sommer eine dreimalige Sonnenexposition von 2-3 Stunden in der Woche in der Mittagszeit benötigen, um selbst ausreichend Vitamin D 3 zu produzieren. Letztere Personengruppe sollte daher bei längerem oder dauerhaftem Aufenthalt in Nord- oder Mitteleuropa für ausreichende Vitamin D 3- Zufuhr mit Hilfe von Tabletten sorgen. Die vorherige Bestimmung des Vitamin D 3- Blutspiegels schafft diesbezüglich Klarheit.
Die Furcht vor Melanomen hat bei etlichen Menschen im sonnenreichen Australien zu Rachitis, der stärksten Form des Vitamin D 3-Mangels geführt. Daher dieses Plädoyer für eine maßvolle Sonnenexposition entsprechend des individuellen Hauttyps!)

Eine tumorähnliche Veränderung stellt das Keratoakanthom dar. Innerhalb weniger Wochen bildet sich zumeist im Unterlippenbereich ein halbkugeliger derber Tumor mit verhornender Eindellung im Zentrum. Nahm man lange Zeit an, daß allein eine frühzeitige Behandlung eine sehr gute Prognose garantierte, so weiß man heute, daß spontane Rückbildungen sehr häufig vorkommen, so daß zugewartet werden kann. Dementsprechend wird auch die alte irreführende Bezeichnung "akutes Karzinom der Haut" nicht mehr verwendet.

Tumoren der Speicheldrüsen
Häufigster Speicheldrüsentumor ist das pleomorphe Adenom. Die meisten dieser Tumoren entstehen in der Glandula parotis (Ohrspeicheldrüse), seltener sind die großen Speicheldrüsen unter der Zunge und die kleinen Speicheldrüsen befallen. Der Tumor besteht aus Bindegewebs- und Epithelanteilen, eine Tumorkapsel ist oft nicht vorhanden oder durchbrochen, was die häufigen Rezidive nach der Operation erklärt. Ist die Ohrspeicheldrüse befallen, sollte diese unter Schonung des Nervus facialis (Gesichtsnerv, der die mimische Muskulatur innerviert) entfernt werden. Da die Schonung des Nervus facialis nicht in jedem Fall vollständig gelingt, zögern viele Patienten aus Angst vor einer Facialisparese (Gesichtslähmung) den Eingriff hinaus. Es muß aber betont werden, daß mit zunehmendem Fortbestand des Tumors die maligne Transformation immer wahrscheinlicher wird.
(Weitere, seltenere Tumoren der Speicheldrüsen seien erwähnt: Das monomorphe Adenom, das adenoidzystische Karzinom, das Adenokarzinom, der Mukoepidermoidtumor, der Acinuszelltumor, das Adenolymphom.)

Tumoren des Binde- und Stützgewebes

Gutartige Fibrome kommen in der Mundhöhle recht häufig vor. Im Gegensatz zum ebenfalls gutartigen Papillom, dem Tumor des Epithels der Mundhöhlenschleimhaut, imponieren sie oft als derber, von Schleimhaut vollständig bedeckter Knoten. Kann ein Papillom oftmals nach Lokalanästhesie durch einen einfachen Scherenschnitt entfernt werden, so ist das beim Fibrom meist nicht so einfach möglich, der Eingriff gestaltet sich hierbei entsprechend aufwendiger.

Das bösartige Pendant zum Papillom ist das bereits erwähnte Plattenepithelkarzinom, das bösartige Pendant zum Fibrom das glücklicherweise nur selten vorkommende, äußerst gefährliche Sarkom (Spindelzellsarkom, Riesenzellsarkom, Fibrosarkom).

Ein gutartiger Bindegewebstumor ist das seltene Myxom, ein Schleimtumor, welcher in der Zahnheilkunde eine gewisse Bedeutung hat, weil er eine Zyste vortäuschen kann.

Lipome (gutartige Fettgeschwülste) treten in der Mundhöhle zumeist am Zungenrand auf. (Patienten mit antiretroviraler Therapie gegen HIV entwickeln als Nebenwirkung sehr oft Lipome im Nacken, die dann ein ästhetisches Problem darstellen.)

Knochentumoren
Osteome sind bei sehr vielen Patieten anzutreffen. Diese gutartigen Knochengeschwülste sind zumeist als knöcherne, von Schleimhaut bedeckte Halbkugeln an der Unterkieferinnenseite vorzufinden. Selten erreichen sie eine Größe, die den Zungenraum einengt, dann aber bedürfen sie der Entfernung durch Abfräsen und Abmeißeln. Eher sind sie beim Eingliedern von Prothesen hinderlich, so daß auch in diesem Fall eine Entfernung in Betracht gezogen werden sollte.

Osteosarkome sind die bösartige Variante der Knochentumoren. Innerhalb weniger Wochen oder Monate kommt es zur Auflösung der knöchernen Strukturen zumeist des Unterkiefers. Leitsymptom hierbei ist der Funktionsausfall des Nervus alveolaris inferior, der vor allem die Unterlippe sensibel innerviert. Ein halbseitiger Ausfall der Sensibilität der Unterlippe ohne sonstige Ursache (z.B. Leitungsanästhesie) sollte immer an ein Osteosarkom denken lassen. Die frühzeitige Metastasierung erfolgt über die Blutbahn.

Das Ewing- Sarkom des Unterkiefers läßt sich klinisch von einer akuten Osteomyelitis (Knochenentzündung) kaum unterscheiden. Rasende Schmerzen und der frühzeitige Verlust der Sensibilität des Nervus alveolaris inferior (Vincent- Symptom - Sensibilitätsstörung der betroffenen Seite der Unterlippe, der Zähne, des Alveolarfortsatzes) stellen sich ein. Die Klärung der Diagnose ist nur durch Gewebeentnahme im Schnellschnittverfahren möglich. In jedem Fall sollte bei auftretenden Beschwerden dieser Art eine sofortige Einweisung in eine Fachklinik erfolgen, da auch eine akute Osteomyelitis einer sofortigen stationären Behandlung bedarf.

Odontogene Tumoren  
Diese Tumoren gehen von Epithelresten im Kiefer aus, die die Zahnentwicklung ermöglicht haben und sind gutartig, bedürfen jedoch nach Diagnose der zügigen chirurgischen Entfernung.
Multiple kleine Zähne können in unterschiedlicher Form und Zahl vorkommen; sehr oft behindern sie den Durchbruch der regulären bleibenden Zähne. Ihre ambulante operative Entfernung ist meistens problemlos nach röntgenologischer Darstellung möglich.

Beim komplexen Odontom hingegen ist der Ursprung aus den Zahngeweben makroskopisch nicht mehr erkennbar. Aufgrund ihrer Größe und Ausdehnung ist die stationäre Behandlung notwendig.

Die klinisch bedeutsamste, nicht metastasierende Geschwulst, die sich aber durch lokal destruierendes Wachstum und Rezidivfreudigkeit auszeichnet, ist das Ameloblastom, welches aus dem embryonalen Zahnschmelzorgan hervorgeht und meistens im Kieferwinkel zu finden ist. Röntgenologisch imponieren wabenartige Strukturen.
Eine rasche Ausräumung und Rekonstruktion des Unterkiefers wegen erhöhter Frakturgefahr sind notwendig.